Regio Basiliensis

27 octobre 2023

Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil IX

Der Verein Regio Basiliensis feiert in diesem Jahr sein 60. Jubiläum. Ein guter Grund, um mit Ihnen auf die wichtigsten Meilensteine der trinationalen Zusammenarbeit am Oberrhein der letzten 60 Jahre zurückzublicken. Sie zeigen, dass die Regio-Idee auch noch heute ausgesprochen lebendig und notwendig ist. Der Fokus des neunten Beitrags liegt auf dem Verhältnis Schweiz-EU, denn für eine zukunftsfähige Oberrheinregion sind geregelte und stabile Beziehungen der Schweiz zur EU entscheidend.  

Der bilaterale Weg der Schweiz mit der EU sorgte für Wachstum in der Region

Die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU sind das Fundament, auf dem die Schweiz ihre Beziehungen mit der EU geregelt hat. Sie sind seit 2002 in Kraft. Nachdem die Schweiz 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt hatte, eröffneten die mehr als 120 Verträge einen weitgehenden, gegenseitigen Marktzugang. Für die Wirtschaft und die Wissenschaft boten sich neue Möglichkeiten in vormals geschlossenen Märkten, etwa bei einigen Agrarprodukten, im Luftverkehr, im Landverkehr, in der Forschungszusammenarbeit sowie bei öffentlichen Beschaffungen. Die Regelungen ermöglichen einen freien grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen mit der EU. Ta?glich pendeln rund 70'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Deutschland und Frankreich zur Arbeit in die Nordwestschweiz. Dank der Personenfreizügigkeit gelang es dringend benötigte Fachkräfte aus der EU zu gewinnen und die Koordination der grenzüberschreitenden Sozialversicherung zu vereinfachen. Die Produktionssteigerungen, die in der Folge erreicht werden konnten, trugen auch zum Konjunkturaufschwung und Wohlstand in der trinationalen Region Basel bei. 

Diskussion über ein Rahmenabkommen Schweiz-EU

Ursprünglich war der Abschluss eines institutionellen Abkommens mit der EU eine Idee der Schweiz. Bereits vor 19 Jahren tauchte die Idee in einem Bericht der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates auf. 2005 bittet dann der Ständerat Philipp Stähelin (CVP, Thurgau) den Bundesrat um einen Bericht über den Stellenwert eines Rahmenvertrages zwischen der Schweiz und der EU. 2008 beschliesst das Parlament sogar gegen den Willen des Bundesrates im Rahmen der Legislaturplanung die Forderung nach Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen zu integrieren. Im Jahr 2008 griff die EU den Gedanken auf, ihre künftigen Beziehungen zur Schweiz durch ein Rahmenabkommen zu regeln. Obwohl 2018 bereits ein Vertragsentwurf vorlag, konnte man sich in der Folge nicht auf ein Rahmenabkommen einigen. Der Schweizer Bundesrat hatte die Verhandlungen im Mai 2021 einseitig beendet, nachdem die Verhandlungen nicht zu den von Schweizer Seite geforderten Änderungen geführt hatten. Um einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen voranzutreiben, brachten seither Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, der Kantone und der Zivilgesellschaft ihre Anliegen dazu in Bern und Brüssel ein. Auch die Regio Basiliensis setzte sich intensiv in diesem Sinne ein. Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung befürwortet einen freien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Dies bestätigte sie mehrfach an der Urne. Auch die Europa-Studie im Auftrag der Europäischen Bewegung Schweiz belegt diese Einschätzung. 

Seit März 2022 laufen Sondierungsgespräche der Schweiz mit der EU, um neue Verhandlungen aufzugleisen. Aufbauend auf den Sondierungsgesprächen hat der Bundesrat am 21. Juni 2023 die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union verabschiedet. Diese Eckwerte bilden die Grundlage für die zukünftigen Gespräche und mögliche formelle Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Sie definieren die Bereiche, die das Mandat abdecken soll, die Oberziele der Verhandlungen sowie spezifische Ziele für jeden Bereich.

Die Regio Basiliensis engagiert sich für eine gute Zusammenarbeit mit Europa

Die Beziehungen der Schweiz zu Europa sind seit der Gründung ein Kernthema der Regio Basiliensis. Die Notwendigkeit für die Schweiz, sich an Europa zu beteiligen, hatten die Regio-Pioniere schon früh mitgedacht. Mit der Gründung der AGEG 1971 und der Realisierung des Regio-Gipfels 1989 brachten sie zum Ausdruck, dass sich die Schweiz aktiv einbringen möchte. Heute setzt sich die Regio Basiliensis als Verein und als Interkantonale Koordinationsstelle bei der Regio Basiliensis (IKRB) kontinuierlich mit Positionspapieren, Regio-Standpunkten, Kooperationen, Anlässen, Reisen nach Berlin, Paris und Brüssel, Gesprächen, der Vermittlung von Kontakten, Medienauftritten und der Pflege des nachbarschaftlichen und europa?ischen Netzwerks für gute Beziehungen der Schweiz zur EU ein.

Chancen für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Nordwestschweiz

Gute Beziehungen der Schweiz zur EU sind auch eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Wissenschafts- und Forschungsstandorts Nordwestschweiz. Dank der Personenfreizügigkeit können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die Grenzen vernetzen und gemeinsame Projekte realisieren. 

Mit Eucor – The European Campus, dem Zusammenschluss der fünf oberrheinischen Universitäten Strasbourg, Basel, Mulhouse-Colmar, Freiburg und Karlsruhe zu einem Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), wurde für den weiteren Erfolg des Forschungs- und Bildungsstandorts Oberrhein ein hervorragendes Netzwerk geschaffen. Eucor ist eine grosse Chance für die junge Generation am Oberrhein. Er bietet Studentinnen und Studenten und allen, die in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig sind, unzählige neue Möglichkeiten, gemeinsam neues zu entwickeln. Eucor tra?gt dazu bei, dass die Hochschulen am Oberrhein bei der Internationalisierung von Forschung und Lehre eine herausragende Rolle spielen. So erreichten das Exzellenzzentrum zur Quantenphysik der Universität Basel und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter dem Dach von Eucor mit dem wegweisenden Projekt «Quantum Computing» eine Vorreiterrolle.

Von der grenzüberschreitenden Forschungszusammenarbeit profitieren die Wissenschaft und die Wirtschaft. Horizon Europe ist das weltweit grösste internationale Programm für Forschung und Innovation. Die Schweiz ist zurzeit (Stand Oktober 2023) bei Horizon Europe nicht-assoziierter Drittstaat. Wie die Wirtschaft braucht auch die Schweizer Wissenschaft stabile rechtliche Rahmenbedingungen und die Einbindung in internationale Netzwerke, um Erfolg zu haben. Entsprechend wichtig sind geregelte Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU.

Zahlreiche Initiativen fordern zum Handeln auf

Um die Region auch in Zukunft voranzubringen, unterstützt die Regio Basiliensis auch zahlreiche Initiativen von Partnern. So lancierte etwa die europapolitische Allianz von stark+vernetzt Ende 2022 in Zusammenarbeit mit der Plattform-Schweiz-Europa einen landesweiten «Aufruf zum Handeln». Darin fordern 199 namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien, Wissenschaft und Kirchen aus allen Landesteilen der Schweiz den Bundesrat auf, noch vor den kommenden Eidgenössischen Wahlen zu klären, wie er die Beziehungen mit der EU in Zukunft gestalten will. Die Regio Basiliensis ist Mitunterzeichnerin. Auch ist sie Mitglied der Plattform Schweiz-Europa, einem Zusammenschluss von Organisationen, die sich für die Sicherung und Weiterentwicklung der Beziehungen der Schweiz zur EU einsetzen.

Textquellen: Publikationen der Regio Basiliensis und Weber, Martin/Jakob, Eric/Regio Basiliensis (Hg.): Die Regio-Idee. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Region Basel, 1. Auflage, Basel 2013. 

Meilensteine der Oberrheinkooperation - Teil I: Die Gründung der Regio Basiliensis und der IKRB
Meilensteine der Oberrheinkooperation - Teil II: Die Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG)
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil III: Der Regio-Gipfel in Basel 1989
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil IV: Die Einführung von Interreg
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil V: Die Deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil VI: Die INFOBEST PALMRAIN
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil VII: Das Karlsruher Abkommen
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil VIII: Die trinationale S-Bahn
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil X: Der Trinationale Eurodistrict Basel (TEB)
Meilensteine der Oberrheinkooperation – Teil XI: Die Beteiligung der jungen Generation

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