News Carte Blanche

16.11.2021

«Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion»

Sprachenvielfalt als Bereicherung und Hindernis – Mehrsprachigkeit fördern!
Georg Walter, Direktor Euro-Institut

Bei den Themen Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit kann man leicht bei Adam und Eva anfangen. Nun, soweit zurück möchte ich nicht gehen – aber fast. Schliesslich berichtet das Alte Testament auch vom Turmbau zu Babel. In dieser Geschichte geht es um den Grössenwahn der Menschen, der von Gott mit der Verwirrung der Sprachen bestraft wird.  

Diese Geschichte hat sich tief in das Kollektivgedächtnis von Deutschen, Franzosen und Schweizern eingegraben. Es ist für uns alle zwar selbstverständlich, dass es viele verschiedene Sprachen gibt, und wir betrachten die Sprachenvielfalt in Europa und insbesondere in einem europäischen Grenzraum wie der Oberrheinregion zunächst als bereichernd und erhaltenswert. 

Auf der anderen Seite aber gibt es mit Blick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit kein politisches Strategiepapier, in dem nicht die Überwindung der Sprachbarrieren und die Förderung der Zwei- oder Mehrsprachigkeit gefordert werden. Die Sprachenvielfalt wird in diesem Kontext also, bewusst oder unbewusst, auch als grosses Hindernis und Problem betrachtet. Dafür gibt es einen guten Grund: Schliesslich steht die Sprachenvielfalt exemplarisch für all jene kulturellen Unterschiede innerhalb Europas, die der Herausbildung eines genuin europäischen Gemeinwesens und einer europäischen Zivilgesellschaft im Wege stehen – und im Kleinen gilt dies auch für die Oberrheinregion. 

Zwar zeigen uns die Beispiele der Schweiz oder Luxemburgs, dass ein funktionierendes Gemeinwesen unter der Bedingung von Sprachenvielfalt entstehen kann. Aber diese sehr speziellen Fallbeispiele können eben leider nicht ohne weiteres als Blaupause für die Europäische Union mit ihren vielen Mitgliedstaaten und grenzüberschreitenden Kooperationsräumen dienen. 

Müsste sich, wer für ein politisches und gesellschaftliches Zusammenwachsen Europas und der Oberrheinregion eintritt, also nicht eigentlich eine gemeinsame Lingua franca für alle wünschen – gleichsam als Rückkehr zu jenem biblischen Urzustand, als sich alle Menschen noch «gut verstanden» haben? Klare Antwort: Nein. Es ist zwar sicherlich kein Nachteil, dass das Englische diese Rolle ein Stück weit eingenommen hat, aber ein Zurückdrängen der Sprachenvielfalt wäre sicherlich kein befriedigender Ansatz. 

Es ist vielmehr wünschenswert, dass möglichst viele Menschen Fremdsprachen erlernen – in Grenzregionen auch die Sprachen der Nachbarn. Wenn wir die europäische Integration (inklusive der engen Zusammenarbeit mit der Schweiz) und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Oberrheinregion erfolgreich weiterentwickeln wollen, ist und bleibt dieser Ansatz letztlich alternativlos. 

Mit der Carte Blanche bieten wir Fachleuten eine Plattform, auf der sie Impulse zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geben und ihre Visionen zur Entwicklung im Dreiland darlegen können. Im Jahr 2021 veröffentlichen wir Beiträge zum Thema «Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion». 


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