News Carte Blanche

28.04.2021

«Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion»

Toilettenpapier im April, Mutationen im Dezember: Einflüsse der Corona-Pandemie auf die deutsche Sprache
Dr. Sascha Wolfer, Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim

Am 24. Februar 2020 wurde in der Schweiz die erste Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt konnte wohl noch niemand ahnen, welche tiefgreifenden Konsequenzen die Corona-Pandemie für die Gesellschaft haben wird. Aus heutiger Perspektive überrascht es uns nicht mehr, dass das Pandemiegeschehen auch starke Auswirkungen auf die Sprache hatte und noch immer hat, denn Sprachgebrauch passt sich stets gesellschaftlichen Veränderungen an. Am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim dokumentieren und erforschen wir die ungewöhnlich starken und kurzfristigen Wirkungen der Pandemie auf die deutsche Sprache und fassen unsere Ergebnisse unter anderem in zahlreichen Beiträgen zusammen.

Doch wir möchten dem sprachinteressierten Publikum nicht nur vorgefertigte Informationen liefern, sondern auch die Möglichkeit bieten, den Sprachgebrauch auf einfache Weise selbst zu erforschen. Mit dem «cOWIDplus Viewer» können Sie den Sprachgebrauch in deutschsprachiger Online-Presse (unter anderem auch in der Neuen Zürcher Zeitung) seit Anfang 2020 selbst nachvollziehen.

Mitte März wird zum Beispiel Toiletten- bzw. Klopapier sehr relevant – gemeinsam mit Begriffen wie hamstern oder Hamsterkäufe. Fachsprachliche Begriffe aus der Virologie und Epidemiologie finden Eingang in die Allgemeinsprache – ein Phänomen, das wir sonst nicht so schnell und umfassend beobachten. Ein ganz aktuelles Beispiel ist Mutation, ein Begriff, der seit Ende 2020 massiv häufiger gebraucht wird, wie natürlich auch Impfung/-en. Es sind zudem interessante sprachliche Konkurrenzphänomene zu beobachten: Mitte März 2020 wurde zunächst eine Ausgangssperre diskutiert. Diese wurde Anfang April von einem Kontaktverbot abgelöst. Das inzwischen so allgegenwärtige Wort Lockdown hat sich erst in der zweiten Junihälfte 2020 gegen diese beiden anderen Begriffe durchgesetzt – seit Mitte April 2020 stetig begleitet von der Maskenpflicht.

Andere Phänomene zeigen, wie schnell sich gesellschaftliche Prioritäten zu Beginn der Pandemie verschoben: Die Abkürzung FC (für Fussballclub) – eigentlich eine Art «Dauerbrenner» in der Berichterstattung – wurde Mitte März 2020 innerhalb nur weniger Tage deutlich von Corona überholt. Erst Mitte Mai 2020 wurde FC wieder ähnlich häufig wie Corona genannt. 

Bleibt zu hoffen, dass alsbald wieder erfreulichere Ereignisse ihren Einfluss auf die deutsche Sprache zeitigen.

Mit der Carte Blanche bieten wir Fachleuten eine Plattform, auf der sie Impulse zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geben und ihre Visionen zur Entwicklung im Dreiland darlegen können. Im Jahr 2021 veröffentlichen wir Beiträge zum Thema «Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion».  


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