News Regio-Standpunkt

26.03.2021 / Regio-Standpunkt Nr. 24

Kulturkooperation am Oberrhein darf nicht an Corona scheitern

Die Coronakrise führt zu wirtschaftlichen Problemen der Kulturbetriebe am Oberrhein. Von einem Moment auf den anderen gerieten viele Einrichtungen und Kulturschaffende sowie grenzüberschreitende Projekte in existenzielle Nöte. Kultur ist ein Instrument, um gesellschaftlichen Zusammenhalt und Selbstreflexion auch über die Grenzen zu gestalten und zu leben. Eine Lehre aus der Pandemie muss deshalb sein, dass der Kulturbetrieb und die trinationale Kulturkooperation krisenfester gemacht werden.

Die Welt steht Kopf! Grund: Die aktuelle Coronakrise. Dies hat auch Auswirkungen auf die deutsch-französisch-schweizerische Kulturzusammenarbeit. Deutschland, Frankreich und die Schweiz sind am Oberrhein Nachbarn und enge Partner – politisch, historisch, wirtschaftlich und kulturell. Gegenseitige Ideen, Neuerungen und Strömungen haben das Kulturleben sowie die Entwicklung der Gesellschaft im trinationalen Grenzraum geprägt. Viele zentrale Grundwerte und eine gemeinsame Geschichte, die heute das Fundament der guten Beziehungen bildet, fussen nicht zuletzt auf dem kulturellen Austausch. Ein Paradebeispiel für die erfolgreiche und nachhaltige Kulturkooperation am Oberrhein ist der Museums-Pass-Musées, eine Jahreseintrittskarte für über 345 Museen, Schlösser und Gärten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, die eine breite Vielfalt an Themen im gesamten Oberrhein abdecken. Ebenfalls zu erwähnen ist die grenzüberschreitende Kunstausstellung Regionale, welche die Verständigung zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Kulturschaffenden und Institutionen auf trinationaler Ebene fördert und intensiviert.  

Physische Begegnungen und Besuche über die Grenze, Workshops, Projekte und gemeinsame Erlebnisse sind momentan kaum möglich. Aktuell stellen sich viele Fragen: Welche Spätfolgen sind zu erwarten und wie können wir ihnen so begegnen, dass ein dramatischer kultureller Kahlschlag am Oberrhein verhindert wird? Wie muss der Kulturbetrieb aufgestellt werden, damit er in Zukunft mit mehr Resilienz auf Krisen reagieren kann?  

Die Kultur- und Medienpolitik leistet einen Beitrag, um den Austausch und die Zusammenarbeit am Oberrhein zu sichern und zu stärken – auch und gerade in Krisenzeiten. Kunst, Kultur und Medien fördern Begegnung, Verständnis und Verständigung, welche Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander unterschiedlicher Interessen, Lebensweisen und Weltanschauungen sind. Kultur und Medien, Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen und die kulturelle Infrastruktur in den europäischen Ländern verdienen aus diesen Gründen besondere Unterstützung – erst recht jetzt, da infolge der Coronapandemie in Gefahr ist, was über Jahre grenzüberschreitend am Oberrhein aufgebaut wurde. 

Als Gefäss für die Zusammenarbeit hat sich das Forum Kultur der Deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz bewährt. Dieses ist Koordinatorin, Informantin und Beraterin von Initiantinnen und Initianten grenzüberschreitender Kulturprojekte. Sie sieht ihre Aufgabe in der Sicherstellung von Rahmenbedingungen zur Förderung des grenzüberschreitenden Kulturaustausches. Die Arbeitsgruppe dient daneben auch dem Informationsaustausch über die sehr unterschiedlichen grenzüberschreitenden Kulturfördermassnahmen am Oberrhein.

Ein Programm, das nicht nur kulturpolitisch akzentuiert ist, sondern Kreative in den Mittelpunkt stellt, ist das Programm «Kreatives Europa». Dieses Kulturförderprogramm ist mit Beginn des Jahres 2021 in eine neue Programmlaufzeit gestartet. Nachdem eine Einigung zum Mehrjährigen Finanzrahmen des EU-Haushalts 2021-2027 erzielt wurde, steht der Umsetzung des Programms nichts mehr im Wege. Der Rat und das Parlament der EU einigten sich auf 2.24 Milliarden Euro für die siebenjährige Laufzeit des Programms. Damit steigt das Budget des Programms um 53% im Vergleich zur vergangenen Laufzeit 2014-2020. Diese Förderung versetzt Künstlerinnen und Künstler sowie Organisationen des Kultur- und Kreativsektors in die Lage, ihre Projekte ohne Verzögerungen in Angriff zu nehmen und ihre Angestellten zu bezahlen. 

Der Kultur- und Kreativsektor braucht konzertierte Unterstützung. Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kulturwirtschaft sind ja nicht nur diejenigen, die durch das notwendige Herunterfahren des öffentlichen Lebens besonders hart betroffen sind. Sie sind auch diejenigen, die langfristig betroffen sind. Kultur aber ist kein Luxus, den man sich nur in guten Zeiten gönnt. Sie ist unverzichtbar in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen. Sie ist Quelle von Inspiration, Reflexion und Innovation. Sie erweitert die Grenzen und schafft Raum für Debatten. 

Gleichzeitig hat die Krise auch viel kreative Energie freigesetzt. Zum Beispiel widmen sich viele Kultureinrichtungen der Frage, wie sich Kultur im digitalen Raum entfalten kann, wie sich dadurch neue Interessierte begeistern lassen und wie Kultur noch offener und zugänglicher gemacht werden kann. Hieran müssen wir jetzt anknüpfen. 

Corona zeigt uns jeden Tag aufs Neue, dass wir globale Herausforderungen nur gemeinsam und auch auf regionaler und lokaler Ebene bewältigen können. Die Pandemie kennt weder Grenzen noch Nationalitäten. Wir müssen daher am Oberrhein die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung gemeinsam und grenzübergreifend legen. Und gemeinsam heisst: als trinationale Gesellschaft, als trinationale Gemeinschaft, als Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Am Oberrhein braucht es angesichts Corona ein Bekenntnis zu den Kultureinrichtungen und die Unterstützung für grenzüberschreitende Kulturprojekte. Die Kultur in dieser schwierigen Situation zu unterstützen ist ein Gebot der Solidarität.

Kontakt:
Regio Basiliensis, Dr. Manuel Friesecke, Geschäftsführer, Tel. 061 915 15 15,
E-Mail: info@regbas.ch

Als PDF downloaden

Zurück