News Regio-Interview

12.12.2024

Regio-Interview – Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch

Neun Fragen an Bruno Stehrenberger, Direktor der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB)

Herr Stehrenberger, vor genau 10 Jahren wurde die grenzüberschreitende Tramlinie 8 zwischen Basel und Weil am Rhein (D) eröffnet. Wir gratulieren zum Jubiläum! Welchen Mehrwert sehen Sie für die Agglomeration Basel durch diese grenzüberschreitende Verbindung? Ist die Linie ein Erfolg?

Vielen Dank für die Gratulation. Die Verlängerung der Tramlinie 8 nach Weil am Rhein ist tatsächlich eine Erfolgsstory, was uns sehr freut. Letztes Jahr waren auf der Linie 8 fast 18 Mio. Fahrgäste unterwegs – das sind rund 50'000 Menschen pro Tag und damit mehr als Weil am Rhein Einwohnerinnen und Einwohner hat. 3.2 Mio. Fahrgäste zählten wir allein auf dem deutschen Abschnitt der Linie 8 – so viele wie noch nie. Das zeigt den Erfolg dieser Linie.

Der 8er war vor zehn Jahren die einzige grenzüberschreitende Tramlinie der BVB, was in ganz Europa etwas Besonderes war. Dass diese grenzüberschreitende Linie Realität wurde, war insbesondere dem pionierhaften Engagement des damaligen Basler Regierungsrats Ralph Lewin und des ehemaligen Weiler Oberbürgermeisters Wolfgang Dietz zu verdanken. Heute ist die BVB das einzige städtische Transportunternehmen der Welt, das mit Trams und Bussen in drei Ländern unterwegs ist!

Wie beeinflussen die aktuellen Grenzkontrollen auf der deutschen Seite den Betrieb? 

Vor über einem Jahr haben die deutschen Behörden das entsprechende Regime verschärft. Besonders in der Anfangsphase registrierten wir wegen der Grenzkontrollen massive Verspätungen. So mussten vereinzelt Kurse umgeleitet werden, um den Zeitverlust wieder aufzuholen, wenn ein Tram durch eine Kontrolle über sechs Minuten verloren hatte. Solche Verzögerungen sind für unsere Fahrgäste sehr unangenehm. Unsere Fachleute von der Leitstelle tun deshalb alles Machbare, damit unsere Fahrgäste die äusseren Einflüsse auf die Linie 8 so wenig wie möglich spüren. Ausserdem sind wir in regelmässigem Austausch mit den Schweizer und deutschen Behörden, damit die Grenzkontrollen jeweils so schnell wie möglich durchgeführt werden. Diese Kontrollen sollten in der Regel nicht länger als zwei bis vier Minuten dauern. Aber unser Einfluss diesbezüglich ist begrenzt. Letztlich müssen wir uns den Massnahmen fügen.

Welche Herausforderungen bringen die grenzüberschreitenden Tram- und Busverbindungen für die BVB? 

Wir müssen die gesetzlichen Bestimmungen von Deutschland und Frankreich einhalten. Auf der Linie 3 sind beispielsweise keine älteren Tramzüge – unsere sogenannten Cornichons – und auch keine Combinos unterwegs, da diese in Frankreich nicht zugelassen sind. Auch auf der Linie 8 können wir keine Cornichons einsetzen. Zudem muss unser Fahrdienstpersonal Grundkenntnisse in Französisch haben. Nur so können Wagenführerinnen und -führer auch auf der Linie 3 eingesetzt werden. 

Welches sind die geplanten grenzüberschreitenden Projekte bei der Tramnetzentwicklung? 

Grundsätzlich ist dies eine politische Frage, bei der die BVB keine Entscheidungsbefugnis hat. Wir begrüssen jedoch alle Massnahmen, die den öffentlichen Verkehr in der trinationalen Region noch attraktiver machen. Hierzu gehört auch eine mögliche Verlängerung der Tramlinie 8 durch die Innenstadt von Weil am Rhein bis zum Läublinpark. Für den französischen Bereich gibt es derzeit keine ähnlichen Vorhaben.

Sind Sie im Dialog mit anderen grenzüberschreitenden Stadtregionen, um Erfahrungen auszutauschen? 

Als Mitglied der Kommission Agglomerationsverkehr des Verbandes öffentlicher Verkehr stehen wir in regelmässigem Kontakt mit diversen Verkehrsbetrieben. Dabei verständigen wir uns auch mit dem TPG (Transports publics genevois) von Genf und sprechen über die Erfahrungen bezüglich des grenzüberschreitenden Verkehrs. Dieser Austausch ist äusserst wertvoll – auch wenn sich die verschiedenen grenzüberschreitenden Regionen doch sehr voneinander unterscheiden.

Welche Rolle spielen die Fachkräfte aus dem grenznahen Ausland für das Unternehmen BVB? 

Wir sind sehr froh um alle Fachkräfte, die uns helfen, einen zuverlässigen öffentlichen Verkehr zu ermöglichen. Es ist bekannt, dass bei uns viele Menschen aus dem grenznahen Ausland arbeiten. Das zeigt, dass die BVB eine attraktive Arbeitgeberin ist. Darauf sind wir sehr stolz. Nicht nur unsere Linien sind trinational, sondern auch unser Personal. 

Welche interkulturellen Unterschiede zwischen den drei Ländern fallen für Ihr Unternehmen ins Gewicht? 

Interkulturelle Unterschiede sind eine grosse Bereicherung. Und ich möchte hier keinen Unterschied besonders hervorheben. Letztlich macht diese Vielfalt die BVB aus. Es gehört zu unserer DNA, dass unser Personal aus verschiedenen Ländern stammt.

Welches sind aus Ihrer Sicht die eher schwierigen Themen der grenzüberschreitenden Mobilität? 

Wie bereits erwähnt hat jedes Land andere Vorgaben bezüglich Fahrzeuge. Hinzu kommen die unterschiedlichen Beschriftungen. Beispielsweise müssen unsere Busse, welche die Grenze nach Frankreich überqueren, über den Toter-Winkel Aufkleber («Angles morts») verfügen. Das kennen auch Besitzerinnen und Besitzer von Wohnmobilen über 3.5 Tonnen. Eine andere Herausforderung ist es, die Tarifbestimmungen für drei Länder möglichst einfach zu gestalten. Hier gibt es noch Optimierungspotenzial. Deshalb setzen wir uns für eine möglichst einfache Handhabung ein. Solchen und weiteren Herausforderungen stellen wir uns sehr gerne – vor allem wenn man sieht, wie rege das Angebot genutzt wird.  

Und zuletzt noch eine persönliche Frage: Was schätzen Sie am meisten an der trinationalen Region? 

Ich beneide manchmal unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fahrdienst, die an einem Tag in drei Ländern arbeiten können. Wo ist das sonst möglich? Und ich finde es einfach faszinierend, wie schnell man als Fahrgast mit dem öffentlichen Verkehr von Basel ins grenznahe Ausland kommt. Innerhalb weniger Minuten ist man an seinem Ausflugsziel in Frankreich oder Deutschland – zum Beispiel um die Natur in der Petite Camargue Alsacienne zu geniessen oder um durch den Wochenmarkt in Weil am Rhein zu bummeln. Und die BVB hilft auch hier mit, alle an ihr Ziel zu bringen.

Herzlichen Dank für das Interview!

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