News Regio-Interview
24.06.2024
Regio-Interview – Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch
Sechs Fragen an Ständeratspräsidentin Dr. Eva Herzog, Ständerätin des Kantons Basel-Stadt
Frau Ständeratspräsidentin, seit Anfang Dezember 2023 nehmen Sie die Präsidentschaft im Ständerat wahr. Welche Aufgaben sind damit verbunden?
Erste Aufgabe ist die Ratsleitung. Mir ist es ein Anliegen, eine gute Atomsphäre zu schaffen und die sachliche Debatte zu ermöglichen, die wir für kluge Entscheide und tragfähige Lösungen brauchen – also das gute Funktionieren der Institution sicherstellen. Würdige Debatten und ein Parlament, das in der Öffentlichkeit respektiert wird, das ist umso wichtiger in diesen aussenpolitisch herausfordernden Zeiten. Zudem habe ich das Privileg, das Parlament und auch die Schweiz im In- und Ausland zu vertreten – etwa bei Treffen der europäischen Parlamentspräsidien auf Mallorca, bei der Krimplattform in Riga oder in Washington bei Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern des Senats.
Was war bisher Ihr Highlight?
Es waren so unterschiedliche Anlässe wie «Der Tag der Frau» am 8. März im Bundeshaus, wo über 350 engagierte Frauen aus allen Gegenden und Bereichen wie Wirtschaft, Landwirtschaft, Kultur, Politik oder Jugendorganisationen meiner Einladung folgten. Thematisch im Zentrum unseres Anlasses stand die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen. Dann natürlich der Besuch im Sicherheitsrat in New York, wo die Schweiz wichtige Friedensarbeit leistet. Und vor noch nicht so langer Zeit der Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk, der die Widerstandskraft der Ukraine so eindrücklich, glaubwürdig und mit viel menschlicher Wärme verkörpert.
Sie vertreten als Ständerätin des Kantons Basel-Stadt die urbane Schweiz. Wie sieht das in der Realität aus? Ist die ländliche Schweiz tonangebend?
Dazu ein paar Fakten: Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung lebt in urbanen Regionen, wo auch 84 Prozent unserer Wirtschaftsleistung erbracht werden. Die Agglomerationen und besonders die grösseren Städte sind Impulsgeber und Innovationslabor, Inklusionsmotoren, wie auch kulturelle und gesellschaftliche Treiber. Sie verfügen über vielfältige internationale Beziehungen. Gleichzeitig stelle ich in Bern fest, dass eine Erzählung über die ländliche Schweiz unser Selbstverständnis mehr prägt, als es der Realität entspricht oder je entsprochen hat. In meinem Präsidialjahr – und auch sonst – will ich der urbanen Schweiz mehr Visibilität geben, zudem die Gleichstellung thematisieren sowie unsere Beziehungen zur EU mitvoranbringen.
Zu den Verhandlungen mit der EU gleich eine Frage: Sind Sie zuversichtlich, dass hierbei eine mehrheitsfähige Einigung erzielt werden kann? Und wie wichtig sind die Beziehungen zur EU für den Kanton Basel-Stadt?
Meiner Ansicht nach ist das Resultat der Sondierungsgespräche überraschend gut. Nun laufen die Verhandlungen. Wie man hört, tun nun beide Seiten wieder etwas schwierig... aber noch ist ein Verhandlungsresultat in diesem Jahr möglich. Die Schweiz als eines der globalisiertesten Länder der Welt, mit einer kleinen offenen Volkswirtschaft, lebt von den guten Beziehungen mit der Welt und – in erster Linie mit ihren nächsten Nachbarn. In Basel, im Dreiländereck, mit Firmen von Weltformat, und dem alltäglichen Leben über die Grenzen hinweg, ist uns dies stark bewusst. Es ist auch unsere Aufgabe, dies in die nationale Debatte einzubringen.
Tauschen Sie sich eigentlich mit den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Grenzkantone im Bundesparlament regelmässig aus?
Ohne die fast 400'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger würde das Gesundheitswesen und andere Dienstleistungsbetriebe zusammenbrechen – etwa in Genf, im Tessin oder bei uns in Basel. Wir haben schon gemeinsame Vorstösse gemacht und uns gegenseitig unterstützt, aber wir haben auch nicht immer exakt die gleichen Positionen. Vielleicht bin ich verblendet, aber mir scheint, dass das Leben über die Grenzen bei uns im Dreiland besonders gut ist. Das habe ich auch als Regierungsrätin so erlebt. Hierzu ist Folgendes bemerkenswert: Eigentlich haben 15 Kantone eine Grenze mit einem unserer Nachbarländer Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich oder Liechtenstein. Und mehr als die Hälfte aller Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz lebt in einer Grenzregion. Doch dieses Bewusstsein ist in der Schweiz kaum vorhanden.
Welches sind Ihre Wünsche für die restlichen Monate Ihrer Amtszeit als Ständeratspräsidentin?
Politisch stehen grosse Brocken an mit den bereits angesprochenen EU-Verhandlungen, der Unterstützung der Ukraine oder Fragen des Budgets. Hier dürften die Diskussionen und Beschlüsse im Rat noch konstruktiver werden, wenn ich dies als Präsidentin bei der mir gebotenen Zurückhaltung so formulieren darf... Persönlich freue ich mich auf viele weitere interessante neue Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen.
Herzlichen Dank für das Interview!