News Regio-Interview

29.06.2023

Regio-Interview - Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch

Zehn Fragen an Maya Graf, Ständerätin des Kantons Basel-Landschaft

Was verbindet Sie mit der Dreiländerregion am Oberrhein? 

Wenn ich auf der Sissacher Fluh, meinem geliebten Heimberg mit grandioser Aussicht stehe, dann blicke ich auch Richtung Elsass bis in die Vogesen und hinüber zum Schwarzwald ins Badische. Diese vielfältige Dreiländerregion ist für mich selbstverständlich. Erst in Bern habe ich realisiert, dass grenzüberschreitendes Denken und Leben erklärungsbedürftig ist. Unsere Region ist wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich so eng und vielschichtig mit unseren Nachbarländern in Europa verbunden wie fast keine andere Grenzregion der Schweiz. Wir sind beispielsweise die einzige Region, in der sogar Tramverbindungen über die Grenze hinweg die Menschen zusammenführen. 

Welche Gelegenheiten und Möglichkeiten bietet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dem Kanton Basel-Landschaft? 

Für den Kanton Basel-Landschaft wie auch für die andere Nordwestschweizer Kantone ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zentral und wird seit Jahrzehnten unterstützt und aktiv mitgestaltet. Wir brauchen nicht nur die Fachkräfte, welche täglich die Grenze überqueren, um bei uns zu arbeiten. Wir haben auch gemeinsame Bildungs- und Forschungsgefässe. Gerade Projekte im Rahmen von Interreg Oberrhein und der Neuen Regionalpolitik (NRP) des Bundes zu Künstlicher Intelligenz bei KMU, Smarten Drainagen oder Slow Water bringen uns wichtige wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse, welche in die Politik und Gestaltung der Zukunft unseres Kantons einfliessen. 

Welche Themen liegen Ihnen in diesem Zusammenhang besonders am Herzen? Welche sind besonders dringend?

Mir sind die Austauschprogramme in der Bildung mit Erasmus+ und die Forschung und Innovation ein zentrales Anliegen. Daher setze ich mich mit Eva Herzog, Ständerätin des Kantons Basel-Stadt, und unseren beiden Kantonen auch im Ständerat dafür ein, dass die Aufnahme für die Vollassoziierung der Schweiz an Horizon Europe, dem weltweit wichtigsten Forschungsförderungsprogramm so schnell wie möglich wieder erfolgt. Unser Forschungs- und Werkplatz erodiert zusehends, wenn die Beziehungen mit der EU, die Weiterentwicklung der Bilateralen und neue Abkommen nicht bald aufgegleist werden. Da die Grenzkantone vom Bundesrat da immer wieder im Stich gelassen werden, kämpfe ich dafür, dass sie mehr Mitbestimmung in der Aussenpolitik bekommen.  

Sie vertreten den Kanton Basel-Landschaft im Ständerat. Ist die spezielle Situation von Grenzkantonen dort ein Thema? 

Mit meiner Ständeratskollegin aus Basel-Stadt sind wir dauernd am Thema dran, so auch mit unseren jüngsten Vorstössen «Städte an den Verhandlungstisch! Einbezug der Städte in die Verhandlungen mit der Europäischen Union» von Eva Herzog und meinen Vorstössen «Die Schweizer Metropolitanregionen und Wirtschaftszentren brauchen Entwicklungsperspektiven und die grenzüberschreitende Vernetzung» oder «Verbindliche Beteiligung der Kantone an der aussenpolitischen Entscheidungsfindung des Bundesrates» oder «Abbruch der Verhandlungen des Rahmenabkommens Schweiz-EU durch den Bundesrat. Welche Folgen für die Nordwestschweiz und deren grenzüberschreitende Zusammenarbeit?». Es ist mir wichtig, die trinationale Region in den Köpfen der kleinen Kammer zu halten. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen ticken im wahrsten Sinne des Wortes innerschweizerisch. Sie können  unsere Sorgen bei Bundesratsentscheiden, wie jenem des Verhandlungsabbruches beim Rahmenabkommen, nicht automatisch nachvollziehen. 

Wie bereits von Ihnen erwähnt, haben Sie im März ein Postulat mit dem Titel «Die Schweizer Metropolitanregionen und Wirtschaftszentren brauchen Entwicklungsperspektiven und die grenzüberschreitende Vernetzung» eingereicht. Können Sie kurz darlegen, was Sie damit erreichen möchten? 

Mit dem Vorstoss beauftrage ich unsere Regierung, in einem Bericht aufzuzeigen, wie sie die Entwicklungsdynamik der Schweizer Metropolitanregionen und Wirtschaftszentren durch die Teilnahme an europäischen Projekt- und Programmpartnerschaften optimal unterstützen kann. Konkret geht es mir dabei um Initiativen und Programme, die unsere grenzüberschreitenden Themen behandeln, die die Zusammenarbeit zwischen der EU und Drittstaaten fördern und/oder unsere Region bei der Entwicklung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften unterstützen können. Zwar ist die trinationale Region bereits in Interreg, Espon oder Urbact sehr aktiv. Die Binnenmarktprogramme stehen uns nun aber aufgrund der blockierten Verhandlungssituation nach dem Schweizer Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen nicht mehr offen. Das merken wir hier in der Region täglich. 

Was ist der aktuelle Stand des Vorstosses?

Es freut mich sehr, dass sich der Ständerat mit 28 zu 10 Stimmen hinter mein Postulat (23.3227) gestellt hat und somit gegen den Bundesrat, welcher diese Aufgabe nicht übernehmen wollte und sich explizit dagegen aussprach. Statt Arbeitsverweigerung wird nun ein verstärktes Engagement für die Metropolitanregionen von ihm gefordert. Es geht darum, diesen Wirtschaftszentren nicht nur Flankenschutz zu geben, sondern Perspektiven für die weitere erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufzuzeigen. Wir wissen heute, dass ein Verhandlungsmandat mit der EU in weiter Ferne rückt und die negativen Folgen dieser ungeregelten Beziehungen vor allem für unsere Grenzregionen leider täglich zunehmen. 

Kann die grenzüberschreitende Kooperation einen Effekt auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union haben? 

Fakt ist: Im Gegensatz zu den Verhandlungen auf Bundesebene hat sich die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Vergangenheit als sehr stabil, erfolgreich und für die Bevölkerung unserer Region Basel als sehr wertvoll erwiesen. Sie wächst zum Glück weiter, auf allen Ebenen, unabhängig von Bundesbern. Wir müssen dies alles noch offensiver dem Rest der Schweiz aufzeigen. Wir können als Vorbild dienen, wie ein Europa der Regionen vor Ort gewinnbringend für alle funktioniert und hoffentlich so auch die Vorurteile gegen «den EU-Apparat» entkräften. Wir müssen nicht nur über die EU, sondern täglich mit den Menschen, den Unternehmen und den politischen Behörden und unseren Nachbarn in der EU reden. 

Haben Sie Wünsche an die Regio Basiliensis oder allgemein an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit? 

Die Regio Basiliensis macht genau das Richtige – sie ist ein wichtiges und fundiertes Sprachrohr von und für unsere Region. Sie hilft uns, um uns als Region koordiniert nach aussen wenden zu können. Sie hat ihre Kontinuität und die daraus erzielten Erfolge in unserer trinationalen Region in den letzten 60 Jahren bewiesen. Wir brauchen sie noch lange. Danke von Herzen für die grosse und wichtige Arbeit!

Welches sind aus Ihrer Sicht die drei Begriffe, welche am geeignetsten das Potenzial der grenzüberschreitenden Kooperation für den Kanton Basel-Landschaft zusammenfassen?

Nachhaltigkeit – Wohlstand – Zukunft

Im Oktober treten Sie erneut für die Wahl in den Ständerat für den Kanton Basel-Landschaft an. Welches sind Ihre Ziele für die neue Legislatur?

Lebendige und intakte Beziehungen zu unseren Nachbarländern und zur Europäischen Union stehen mehr denn je auf meiner Agenda. Konkret geht es mir um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich Energiesicherheit, Ausbau der Erneuerbaren Energien, die kulturelle Zusammenarbeit, den Anschluss an die Bildungs- und Forschungsregion Europa. Hinzu kommt, dass wir den klimafreundlichen Umbau der Verkehrspolitik, ob grenznah oder länderüberschreitend gar nicht allein bewältigen können. Dasselbe gilt auch für den Klimaschutz und für die Gesundheits- und Sozialpolitik, welche uns mit einer alternden Bevölkerung vor Herausforderungen stellen. Es braucht genügend gut ausgebildete Fachkräfte überall, wir müssen daher auch unsere Berufsausbildung stärken. Ich bringe viel Erfahrung, ein grosses Wissen und mein breites Netzwerk mit, daher freue ich mich sehr, hoffentlich weiterhin die starke verlässliche Stimme fürs Baselbiet und unsere Region Basel im Ständerat zu sein.

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den kommenden Wahlen! 

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