News Regio-Interview
27.02.2023
Regio-Interview - Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch
Zehn Fragen an Marco Galli, Koordinator für den Bahnknoten Basel, und Dr. Thomas Staffelbach, SBB Gesamtkoordinator Basel
Marco Galli und Dr. Thomas Staffelbach waren am 15. Februar 2023 Inputreferenten und Podiumsteilnehmer am Anlass «Herzstück Basel - wie weiter? Politik, Wirtschaft und Bevölkerung im Dialog» der Regio Basiliensis, der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz und Pro Herzstück.
Was ist der aktuelle Stand bezüglich des Ausbaus der Bahninfrastruktur in der Region Basel und des Herzstücks?
Thomas Staffelbach (TSt): Im Mai 2022 schlossen Bund, Kantone, SBB und die Deutsche Bahn (DB) den Fünfpunkteplan ab. Mit dieser Studie legten wir gemeinsam die Stossrichtung für den langfristigen Ausbau des Bahnknotens Basel fest. Seit Anfang 2022 bis Ende 2024 läuft die Vorstudie «Kapazitätsausbau Knoten Basel», kurz VKKB. Mit dieser Studie wird die Stossrichtung im Auftrag des Bundes weiter vertieft. Gleichzeitig setzen SBB und DB in der Region aktuell Ausbauprojekte im Umfang von rund 1.7 Mrd. Franken um. Das sind unter anderem Grossprojekte wie der Vierspurausbau Liestal, die Entflechtung Basel–Muttenz, die Leistungssteigerung Basel SBB sowie seitens DB der Planfeststellungsabschnitt 9.3 des Grossprojekts Ausbau Karlsruhe–Basel. Weitere Projekte stehen mit dem Ausbauschritt 2035 des Bundes an. Alle diese Projekte bringen bereits vor dem Herzstück mehr Angebot für die Kundinnen und Kunden im Fern-, Regional- und Güterverkehr.
Warum finden Sie, ist die Angebotserweiterung der S-Bahn für die Region so relevant?
Marco Galli (MG): Eine attraktive und gut funktionierende Stadt lebt ganz wesentlich von ihrer Erreichbarkeit, und zwar lokal wie regional. Letzteres, das heisst gute Verbindungen aus der ganzen trinationalen Agglomeration ins Zentrum, bedingt eine ausgebaute S-Bahn mit schnellem und dichtem Angebot. Ein solches haben wir heute schlicht noch nicht – deshalb braucht es die Erweiterungen mit neuen Direktverbindungen und dichteren Takten. Zudem: Nur ein Ausbau der S-Bahn hat das Potenzial, dass ein wachsendes Mobilitätsbedürfnis nicht mit dem eigenen Auto, sondern einem öffentlichen Verkehrsmittel befriedigt wird. Ein unabdingbarer Beitrag zur Erreichung unserer Umwelt- und Klimazielen.
Welches sind die nächsten Schritte für das Herzstück?
MG: Auf der technischen Ebene gilt es, bis Ende 2024 die Vorstudie VKKB abzuschliessen, die alle Teile des Herzstücks so detailliert untersucht, dass für die weitere Planung – auch die finanzielle – eine verlässliche Basis vorhanden ist. Im Anschluss daran ist – möglichst nahtlos – die nächste Projektphase, das Vorprojekt, auszulösen. Auf politischer Ebene ist es unsere Aufgabe, die Ansprüche der Region mit Nachdruck nach Bundesbern zu tragen, damit dort im Rahmen der angekündigten Botschaft zum nächsten Ausbauschritt der Eisenbahninfrastruktur im Rahmen des «Strategischen Entwicklungsprogramms» (STEP) im 2026 ausreichend Mittel für die Realisierung einer ersten Etappe des Herzstücks bewilligt werden. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass sich die Region geschlossen dafür einsetzt. Die nötige Einigkeit ist durchaus schon spürbar, muss aber auf allen Ebenen noch verstärkt werden.
Welches sind die grössten Hürden?
TSt: Die grosse Herausforderung ist, dass das Herzstück ein langfristiges Ziel ist. Es kann – aus baulichen, bahnbetrieblichen und finanziellen Gründen – nur über mehrere Jahrzehnte und Schritt für Schritt erreicht werden. Aber, wenn die nötigen Gelder verfügbar sind und alle Partner am selben Strick ziehen, lassen sich die Ausbauten im Bahnknoten so mit den Ausbauten auf den Zulaufstrecken kombinieren, dass jeder dieser Etappen mehr Angebot bringt.
Wie kann man die Notwendigkeit für das Herzstück am besten erklären? Wie gehen Sie mit der Kritik am Projekt um?
MG: Sowohl die trinationale Metropolitanregion Basel als auch die ganze Schweiz werden weiterwachsen – und damit auch das Bedürfnis nach Regional-, Fern- und Güterverkehr. Die Bahninfrastruktur im Knoten Basel ist aber bereits heute voll ausgelastet. Die intensiven Planungen der letzten Jahre haben eindeutig gezeigt, dass auf lange Frist der Bahnknotenausbau mit Herzstück die einzig plausible Lösung ist, mit der für alle Verkehrsarten ausreichend Kapazität geschaffen werden kann. Kurz: Fährt der dichtere S-Bahn-Verkehr in Zukunft durch das Herzstück, werden auf den oberirdischen Trassen die Kapazitäten frei, die es für ein verbessertes Fernverkehrsangebot und für mehr Güterverkehr auf der Schiene braucht.
Und zur Kritik am Projekt: Kritik braucht es, damit wir nicht müde werden, die Vorteile respektive die Notwendigkeit dieses Vorhabens noch besser aufzuzeigen. Und es gilt, eingebrachte Fragen und Vorbehalte ernsthaft aufzunehmen und fundiert zu beantworten, respektiv wo nötig überzeugend zu widerlegen.
Was haben Sie aus der Podiumsdiskussion der Regio Basiliensis, der Vereinigung für eine Starke Region Basel/Nordwestschweiz und Pro Herzstück zum Herzstück am 15. Februar 2023 mitgenommen?
MG: Ich habe eine grosse Einigkeit gespürt, dass das Herzstück, respektive der Ausbau des Bahnknotens vorangetrieben werden soll. Gleichzeitig ist unübersehbar, dass aufgrund der Dimension des Vorhabens auf verschiedenen Ebenen Respekt vorhanden ist: Sei es bei der Finanzierung, dem Zeithorizont der Umsetzung oder beim eigentlichen Bau. Die Geschichte des Herzstücks darf und muss wohl noch schlüssiger werden. Wichtig dabei ist: Das Herzstück ist kein Eintagesrennen, sondern eine Tour de France, bei der wir mit jeder Etappe mehr Angebot gewinnen.
Wie schätzen Sie die Unterstützung der Herzstücks durch die Partner in Deutschland und Frankreich ein?
TSt: Die S-Bahn Basel ist ein trinationales Projekt. Das Herzstück kann nur richtig pulsieren, wenn auch auf den Zulaufstrecken die nötigen Ausbauten umgesetzt werden, egal ob in Deutschland, in Frankreich oder in der Schweiz. Das ist allen Partnern klar. Wir erleben die Zusammenarbeit mit den deutschen und französischen Kolleginnen und Kollegen als äusserst konstruktiv.
Was wünschen Sie sich für Fortschritte in den nächsten zwei Jahren?
TSt: Bis Ende 2024 werden wir die Vorstudie VKKB abschliessen. Klar ist bereits heute, dass als erste Etappe zwingend der Bahnknoten Basel umfassend ertüchtigt werden muss. Mit diesem Ertüchtigungspaket müssen wir die Gleisanlagen optimieren, zusätzliche Kapazitäten für den zukünftigen Betrieb während und nach späteren Bauphasen schaffen und die Kapazitäten in den Abstell- und Serviceanlagen sicherstellen. Ob dieses Ertüchtigungspaket Teil des nächsten Ausbauschritt des Bundes wird, entscheidet sich in den nächsten Jahren. Die Konkurrenz ist gross und Einigkeit in der Region ist wichtig.
Welche Rolle und Bedeutung spielt das Agglomerationsprogramm Basel in ihrer Planung?
MG: Das Agglomerationsprogramm hat grosse Bedeutung. Der Grund ist, dass unser Vorhaben nicht einfach ein Bahnprojekt ist, bei dem es um Perrons, Gleise, Tunnel und dergleichen geht. Vielmehr braucht es eine funktionierende und attraktive Anbindung an den Siedlungsraum. Dazu gehören insbesondere die Bahnhofsvorzonen, die eigentliche Mobilitätsdrehscheiben werden sollen. Hier sind Raumplanung und Verkehrsplanung über Kantons- oder Landesgrenzen hinaus abzustimmen. Dies ist eine Aufgabe, die wesentlich vom Agglomerationsprogramm erfüllt wird. Und: Der Bund beteiligt sich an den Kosten von Infrastrukturprojekten aus dem Agglomerationsprogramm.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was verbindet Sie mit der trinationalen Region am Oberrhein und im Dreiland?
TSt: Ich möchte die Frage so beantworten: Meine Nichte wohnt im Gundeldingenquartier, sie wurde eben Mutter einer kleinen Tochter. Mein Ziel ist es, unsere Arbeiten so voranzutreiben, dass ihre Tochter zusammen mit dem Bahnangebot in der Region wächst und wächst und schliesslich – nötigenfalls stellvertretend für mich – via Herzstück von Basel SBB über Basel Mitte nach Basel Badischer Bahnhof fährt. Das motiviert mich, all diese Zwischenschritte auf dem Weg zum Ziel voranzutreiben.
Herzlichen Dank für das Interview!