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23.04.2020 / Regio-Standpunkt Nr. 20

Coronavirus: Umgang mit der Pandemie in der Grenzregion am Oberrhein

Pandemien kennen keine Grenzen und erfordern globales und regionales Verantwortungsbewusstsein und entsprechend Solidarität, um sie zu bewältigen. Die trinationale Region Oberrhein ist dafür das beste Beispiel.

Das Coronavirus hält die Welt in Atem. Es kennt weder Nationalstaatlichkeit noch Grenzen und trifft ganz Europa, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Mit ihren EU-Binnen- und Aussengrenzen ist die Dreiländerregion am Oberrhein besonders betroffen. Für die Bevölkerung der deutsch-französisch-schweizerischen Grenzregion ergeben sich ungewohnte Fragestellungen: Kann ich noch in das Nachbarland einreisen? Welche Regelungen gelten für Grenzgänger? Ist Homeoffice für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken und Versicherungen rechtlich zulässig, wenn der Mitarbeiter in einem anderen Land wohnt? Wie läuft der grenzüberschreitende Warentransport? Kann ich Verwandte im Nachbarland besuchen?

Die Bedrohung durch das Coronavirus zeigt, dass isolierte Massnahmen einzelner Staaten allein unzureichend sind und sogar negativ sein können. Die Wirtschaft wäre schwer betroffen, falls an der Grenze ausserordentliche Gesundheitskontrollen und andere Behinderungen eingeführt würden. Besonders das Gesundheitswesen würde in Mitleidenschaft gezogen, wenn Grenzgängerinnen und Grenzgänger einer systematischen Behinderung oder einer Dienstverpflichtung am Wohnort unterworfen würden. Spitäler in den Grenzregionen könnten handlungsunfähig werden.

Im März 2020 entschieden Frankreich und Deutschland, dass die Versorgung der eigenen Bevölkerung im Kampf gegen das Coronavirus Priorität habe. Die Nachbarländer verboten darum die Ausfuhr von medizinischen Schutzmaterialien in Richtung Schweiz. Nach Interventionen des Bundesrates bei der EU, Deutschland und Frankreich sowie entsprechenden Verhandlungen lenkten die Nachbarländer ein und gaben die Lieferungen frei. Für die betroffenen Kliniken, Spitäler und Gesundheitsversorger in der Schweiz ist diese Abhängigkeit vom Goodwill der Nachbarstaaten ein grosses Problem. 

Eines zeigen die unkoordinierten Alleingänge der europäischen Staaten in Sachen Grenzmanagement und Gesundheitskooperation deutlich: Die EU war – auch wegen ihrer begrenzten Kompetenzen im Katastrophen- und Gesundheitsschutz – nicht ausreichend vorbereitet auf eine Pandemie wie Corona. Gut möglich also, dass es in Zukunft neue Vorstösse geben wird, die grenzüberschreitende Koordination und Kooperation zu stärken.

Globale, europäische und regionale Kooperation kann grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen wirksamer begegnen. Die aktuelle Pandemie setzt die Gesundheitssysteme in der gesamten EU unter beispiellosen und zunehmenden Druck. Entsprechend muss die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen nationalen, regionalen und lokalen Behörden bei der Gesundheitsversorgung verstärkt werden. Ein gutes Beispiel für die Gesundheitskooperation über die Landesgrenzen hinweg ist die Übernahme von elsässischen Coronavirus-Patientinnen und Patienten durch Schweizer und deutsche sowie österreichische und luxemburgische Gesundheitseinrichtungen.

Durch die langjährige und erfolgreiche konsensuale Zusammenarbeit wurde am Oberrhein ein stabiles grenzüberschreitendes Vertrauenspotential aufgebaut. Gremien und Institutionen wie die Oberrheinkonferenz oder die Beratungsstelle INFOBEST Palmrain sind wichtige Gefässe der Zusammenarbeit. Doch werden abgestimmte Massnahmen und Planungen für den Fall einer Pandemie nicht die einzige Aufgabe bleiben. Denn es gibt langfristige Herausforderungen, die die aktuelle Krise sicherlich überdauern. Eine davon ist das grenzüberschreitende Management und der Austausch von Daten, und zwar insbesondere im Gesundheitsbereich. Auch ist die Fortsetzung der Vernetzung der Gesundheitsakteure im Rahmen der Plattform TRISAN von grosser Bedeutung. Gesundheitskrisen mit enormem Handlungsdruck waren in der Vergangenheit Beschleuniger für Innovationen und strukturellen Wandel, wie es die Beispiele der Pest (Auslöser erster internationaler Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich) oder von SARS (Reform der Kontrolle bei Infektionskrankheiten) belegen. Auch die Grenzregion am Oberrhein wird solche Innovationen entwickeln und gestärkt aus der aktuellen Pandemie hervorgehen.

Die Regio Basiliensis als Kompetenzzentrum erster Wahl für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bevölkerung leistet durch ihr trinationales Netzwerk in der aktuellen Ausnahmesituation einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Verständigung. Das Coronavirus kennt keine Grenzen, deswegen ist es umso wichtiger, dass auch die Notfallplanungen der drei Länder im Fall einer Pandemie nicht an den Landesgrenzen halten.

Kontakt:
Regio Basiliensis, Dr. Manuel Friesecke, Geschäftsführer, Tel. 061 915 15 15,
E-Mail: info@regbas.ch

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