News Regio-Standpunkt
17.06.2024 / Regio-Standpunkt Nr. 38
Die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU: Ein Plädoyer für eine Fortführung und Weiterentwicklung der 25-jährigen Erfolgsgeschichte
Die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU), die nun seit 25 Jahren wirken, sind für die Schweizer Bevölkerung und Volkswirtschaft von grosser Wichtigkeit und hohem Nutzen. Der geregelte Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt und zu den weltweit wichtigsten Exportmärkten muss gesichert werden. Die Bilateralen III sind daher eine Chance.
Vor 25 Jahren unterzeichnete die Schweiz mit der EU die Bilateralen I. Das Paket beinhaltet Marktzugangsabkommen in den Bereichen Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft und technische Handelshemmnisse. Diese Verträge haben die Schweizer Wirtschaft in Teile des EU-Binnenmarkts integriert. 2004 folgten mit den Bilateralen II neun weitere bilaterale, sektorielle Abkommen. Während es sich bei den Bilateralen I vorwiegend um klassische Marktöffnungsabkommen handelt, wurden bei den Bilateralen II neben wirtschaftlichen auch politische Bereiche aufgenommen, wie Grenzkontrollen, Asylrecht, der automatische Informationsaustausch, Betrugsbekämpfung, landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte, kreatives Europa, Umwelt, Statistik, Ruhegehälter sowie Bildung, Berufsbildung und Jugend.
Die bilateralen Verträge sind das Fundament, auf dem die Schweiz nach der Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR 1992 durch das Schweizer Volk ihre Beziehungen mit der EU geregelt hat. Der bilaterale Weg hat sich in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht für die Schweiz als sehr erfolgreich erwiesen und ermöglicht uns beispielsweise Reisefreiheit innerhalb Europas und den sektoriellen Marktzugang. Dies sichert die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen und der Wissenschaft. Das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre in der Region ist auch auf die bilateralen Abkommen zurückzuführen.
Das Schweizer Stimmvolk hat den bilateralen Weg mit der EU mehrfach an der Urne bestätigt, bekräftigt und ausgebaut. Für die Grenzkantone und Schweizer Grenzregionen, die in direktem und engem Kontakt mit den EU-Nachbarländern stehen, sind die Abkommen von besonderer Bedeutung. Insbesondere für die Region am Oberrhein, die durch starke politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Verflechtungen über die Landesgrenzen hinaus geprägt ist, sind diese Integrationsschritte lebenswichtig. Die Öffnung gegenüber den Grenznachbarn gehört mittlerweile zum Alltag. Täglich finden in der Nordwestschweiz mehr als 500'000 Grenzübertritte statt – sei es für die Arbeit, Vergnügen, Ausbildung, Weiterbildung, etc. So pendeln täglich mehr als 70'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Deutschland und Frankreich zur Arbeit in die Nordwestschweiz, viele Firmen haben Niederlassungen jenseits der Grenze und die Zusammenarbeit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird stetig intensiviert wie beispielsweise durch die oberrheinische Hochschulallianz Eucor – The European Campus.
Insbesondere in Krisenzeiten ist es gefährlich – ja verantwortungslos – Bewährtes über Bord zu werfen. Angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen ist es für Schweizer Unternehmen unverzichtbar, dass sie mit ihren Partnern in Europa stabile Beziehungen führen.
Im März 2024 sind die Verhandlungen zu den sogenannten «Bilateralen III» offiziell eröffnet worden. Das Verhandlungspaket umfasst die Aktualisierung der fünf bestehenden Binnenmarktabkommen zur Personenfreizügigkeit, zum Abbau technischer Handelshemmnisse, zum Landverkehr, zum Luftverkehr sowie zur Landwirtschaft. Zudem sollen zwei neue Binnenmarktabkommen für Strom und Lebensmittelsicherheit abgeschlossen werden. In den Bereichen Forschung, Bildung und Gesundheit sieht das Paket Kooperationen der Schweiz mit der EU vor.
Aus Sicht der Regio Basiliensis trägt der bilaterale Weg mit der EU massgeblich zum Wohlstand und zur Lebensqualität der Schweiz bei und muss fortgesetzt werden. Dazu ist es erforderlich, mit den «Bilateralen III» bestehende Abkommen zu aktualisieren und weiterzuentwickeln sowie neue Abkommen zum Strom und zur Lebensmittelsicherheit auszuhandeln. Die bilateralen Abkommen waren ursprünglich eine Übergangslösung – davon kann man nach 25 Jahren nicht mehr sprechen. Es ist sinnvoll, diese Abkommen zu verstetigen und dementsprechend einen institutionellen Rahmen zu vereinbaren. Dieser Rahmen schafft Rechtssicherheit und schützt die Schweiz vor überzogenen oder dossierfremden Retorsionsmassnahmen. Für die Schweiz ergeben sich aus den neuen Verträgen mehr Mitspracherechte und damit mehr Souveränität.
Die Gegenwart der Schweiz ist europäisch und die bilateralen Verträge sind dabei der zentrale Baustein. Die aktuellen Verhandlungen zu den bisherigen und neuen Abkommen schreiben diesen Weg fort und sichern gute nachbarschaftliche Beziehungen zu unserem wichtigsten Nachbarn und Handelspartner. Die «Bilateralen III» sind eine alternativlose Chance, die Planungssicherheit schafft und Stabilität gewährleistet. Nutzen wir sie!
Vom 17. Juni 2024 bis 21. Juni 2024 feiert die Allianz stark+vernetzt das Jubiläum der Bilateralen mit Publikationen, Veranstaltungen und Strassenaktionen in verschiedenen Städten. Mehr Informationen. Die Regio Basiliensis ist Teil der Allianz.