Carte Blanche

25 février 2021

«Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion»

Mehrsprachigkeit - mein Spielbein
Pauline Eberts, erfolgreiche Absolventin des Studiengangs International Business Management Trinational und Produkt- und Projektmanagerin bei unknown? visual + virtual design

Aus der Bewegungslehre kommen die Begriffe Standbein und Spielbein. Während eines neuen Schrittes bleibt immer ein Bein in Bodenkontakt. Das Standbein trägt alles Gewicht und steht fest und grade. Das versinnbildlicht für mich meine Muttersprache. Da muss ich beim Sprechen nicht über den Satzbau nachdenken, die Wörter und Sätze sprudeln ganz natürlich aus mir heraus. Meine Muttersprache gibt mir «Sprechfestigkeit». Und der pfälzische Dialekt zurück in der Heimat Authentizität. Mehrsprachigkeit eröffnet mir einen Spielraum, in dem ich mich mit meinem anderen Bein, dem Spielbein, frei bewegen kann. Es kann vorwärts, rückwärts, seitwärts, Grenzen überschreiten und neue Wege gehen. In Psalm 31,9 steht in der Bibel «du stellst meine Füsse auf weiten Raum». Das Spielbein erforscht meinen Raum - welche Möglichkeiten bieten sich mir dadurch?

Aufgewachsen in der schönen Südpfalz hat mich das Duale Studium in International Business Management (IMB) Trinational ins Dreiländereck gezogen. Der hohe Integrationsgrad, der drei und mehr Nationen innerhalb eines Studienganges, vereint, inspiriert und gab mir den Nährboden, über mich selbst hinauszuwachsen und Neues zu wagen. Durch die Studienorte in Colmar, Basel, Lörrach sowie ein Auslandssemester in London lernte ich, mich schnell und flexibel auf ein neues Umfeld einzustellen und in internationalen Teams zusammenzuarbeiten. Das mindestens trinationale Aufeinandertreffen mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen war eine stets sehr bereichernde interkulturelle Erfahrung.

In den Menschen, die Teil dieses Studienganges sind – Studierende, Mitarbeitenden der Hochschulen, Förderinnen und Förderer sowie dem Netzwerk aus Alumni – liegt für mich der interkulturelle Mehrwert von IBM. Diese Menschen teilen gemeinsame Werte wie eine grosse Offenheit, Integrität, Respekt, Vertrauen, Wertschätzung und Freiheit, welche Nationen vereinen und für das Gelingen unserer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit notwendig sind. Zentraler Mehrwert von IBM sind darüber hinaus die gemeinsam gesprochenen Sprachen, die alle Akteure verbinden: Landesgrenzen, sprachliche und mentale Barrieren werden allein durch die damit ermöglichte Kommunikation überwunden, grenzüberschreitende Freundschaften entstanden. Fremdsprachen werden zu Kommunikationssprachen.

Herausragend in IBM ist die intrinsische Motivation der Studierenden, sich zu vernetzen, zu kooperieren und vom Nachbarn zu lernen: In der täglichen Zusammenarbeit mit Schweizern, Franzosen und Austauschstudierenden weiterer Nationen wird das Miteinander gefördert, welches den Umgang mit verschiedenen Kulturen stärkt. Der besondere trilinguale Esprit wurde vor allem dann spürbar, wenn innerhalb weniger Sätze dreimal die Sprache gewechselt oder pro Tag alle drei Grenzen überschritten wurden – das ist für mich ein erlebbares Europa. Dank der ausserordentlichen Lage im Dreiländereck mit dem Rhein als natürliche Grenze ist ein Perspektivenwechsel nur einen Katzensprung entfernt.

Interkultureller Mehrwert des Studiums liegt ebenso im persönlichen Wachstum der Studierenden, da Wandel ausserhalb der Komfortzone beginnt: Bei meinen Auslandsaufenthalten habe ich gelernt, dass Empathie, Neugierde, Flexibilität und Wissen um andere Kulturen, Geschäftsbeziehungen nachhaltig beeinflussen und begünstigen sowie gleichzeitig Verständnis für das Verhalten der Mitmenschen erzeugt, z.B. in Bezug auf Pünktlichkeit und Effizienz eines Meetings. In wöchentlichen Gruppenarbeiten während des Studiums mit Kommilitoninnen und Kommilitonen u.a. aus Norwegen, Indien, Kanada und Frankreich lernte ich, klare Absprachen zu treffen und so Konflikten vorzubeugen. Die Fähigkeit, sich flexibel an kulturelle Begebenheiten und neue Umgebungen anzupassen, ist eine der wichtigsten Lessons learned, die ich aus dem Studium mitnehme. Il faut s’adapter!

Daher schätze ich sehr, dass durch den Zusammenschluss der drei Hochschulen – UHA Université de Haute-Alsace, der DHBW Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach und der FHNW Fachhochschule Nordwest-Schweiz - die Vielfalt und Diversität der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit durch das Angebot des mehrsprachigen Studienganges gefördert wird und so neue «Spielräume» eröffnet werden.

Mit der Carte Blanche bieten wir Fachleuten eine Plattform, auf der sie Impulse zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geben und ihre Visionen zur Entwicklung im Dreiland darlegen können. Im Jahr 2021 veröffentlichen wir Beiträge zum Thema «Mehrsprachigkeit am Oberrhein – Kompetenz, Kultur, Kohäsion».  


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