Regio-Interview

14 octobre 2019

Regio-Interview - Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch

Zehn Fragen an Cédric Wermuth, Nationalrat des Kantons Aargau und Kandidat für die Ständeratswahlen 2019

Sie nehmen seit 2011 Einsitz im Nationalrat für den Kanton Aargau. Dieser teilt eine lange Grenze mit Deutschland. Welchen Stellenwert messen Sie der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den angrenzenden Landkreisen und Baden-Württemberg zu? 

Die grenzüberschreitende Zusammen mit den süddeutschen Landkreisen und Baden-Württemberg ist gerade für den Aargau sehr wichtig und wird noch an Bedeutung gewinnen. Kulturell und wirtschaftlich ist die Region längst zusammengewachsen, so gehen ein gutes Drittel der Aargauer Exporte nach Süddeutschland. Politisch sind wir noch nicht ganz so weit, wie wir könnten. Gerade in den Bereichen Verkehr, Ausbildungszusammenarbeit, Forschung und Regionalentwicklung gibt es grosses Potential für eine vertiefte Zusammenarbeit.

Welche Gelegenheiten und Möglichkeiten bietet die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit dem Kanton Aargau?

Der Aargau ist auf gute Beziehungen zu seinen Nachbarn angewiesen, denn er lebt von seiner exportierenden Industrie. Ausserdem sind gute Beziehungen zu unseren Nachbarn auch innenpolitisch wichtig: Für uns ist es zentral, nicht nur von den Metropolregionen Basel und Zürich abhängig zu sein.

Für die Region Nordwestschweiz sind die Beziehungen zu den Nachbarländern Deutschland und Frankreich besonders wichtig. Wie kann die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum guten Verhältnis zu diesen Partnern beitragen?

Mein Eindruck ist, dass sie das bereits tut. Wichtig ist, dass wir die Menschen zusammenbringen und ein Bewusstsein dafür schaffen, wie stark die trinationale Region faktisch bereits zusammengewachsen ist. Direkt an der Grenzen wissen das die Menschen, aber bei mir im Westaargau ist das schon weniger klar. Das wird in Deutschland und Frankreich nicht anders sein.

Kann die grenzüberschreitende Kooperation einen Effekt auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union haben?

Ja, mit Sicherheit. Die Schweiz ist in ihrer schwierigen Position als Nicht-Mitglied auf Fürsprecherinnen und Fürsprecher angewiesen. Wir sehen dies zum Beispiel in den aktuellen Debatten um das Rahmenabkommen und den Lohnschutz. Die grenzüberschreitende Kooperation schafft hier einen gegenseitigen Vertrauensvorsprung. Gerade letzte Woche bin ich in Laufenburg über die Brücke spaziert. Wenn man in dieser Region aktiv ist, weiss man, wie absurd die Ideen gewisser Schweizer Akteure sind, beispielsweise in den Zustand vor dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit zurückgehen zu wollen.

Wie schätzen Sie die Situation bezüglich des institutionellen Rahmenabkommens Schweiz-EU ein?

Das Rahmenabkommen ist eine sinnvolle Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und ihren europäischen Nachbarn. Es ist richtig, dass wir eine gemeinsame Grundlagen für die Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens finden müssen. Das Abkommen bietet der Schweiz insgesamt mehr (Rechts-)Sicherheit. Innenpolitisch ist der Lohnschutz die entscheidende Knacknuss. Dieser muss in seiner Qualität vollständig erhalten bleiben. Die Lohndifferenzen zwischen der Schweiz und den europäischen Ländern sind zu gross. Bereits heute stellen wir in gut 25% der Kontrollen in Bereichen mit Allgemeinverbindlichen GAV Lohnverstösse fest. Das können wir nicht einfach aufgeben, denn das würde zu Lohndumping in unverträglichem Ausmass führen. Ich persönlich bin aber sicher, dass wir nach den Wahlen in der Schweiz und dem Brexit innenpolitisch und mit der EU eine Lösung finden werden.

Die Klimadebatte ist zurzeit auf dem politischen Parkett eines der wichtigsten Themen, für welche Sie sich auch engagiert einsetzen. Wo sehen Sie Möglichkeiten durch die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein und am Hochrhein hier etwas zu bewirken?

Die Möglichkeiten gibt es sicher. Gerade was den grenzüberschreitenden Verkehr angeht, haben wir definitiv Potential. 

Ein Thema, welches die Regio Basiliensis seit längerer Zeit beschäftigt, ist der Arbeitsmarkt und der Fachkräftemangel. Wo muss man in einer Grenzregion wie der Oberrheinregion ansetzen, um hier etwas bewirken zu können?

Ehrlicherweise müssen wir in der Schweiz zugeben, dass der Fachkräftemangel vor allem selbstverschuldet ist. Die Schweiz muss ihrer Verpflichtung nachkommen, Fachkräfte selbst auszubilden und nicht mehr darauf zu vertrauen, dass andere Länder die Menschen ausbilden und diese dann – nicht zuletzt wegen der Löhne – in die Schweiz kommen, um zu arbeiten. Dies gilt gerade bei Fachkräften in den Bereichen Ingenieurswesen, Technik, Informatik, Gesundheit und Pflege. Auch hier, glaube ich, müssen wir zumindest mittelfristig die trinationale Region als richtiges Gefäss für die Aus- und Weiterbildung und den Arbeitsmarkt verstehen, und nicht nur innerhalb unserer Landesgrenzen denken. Nochmals: Das Absurdeste wäre eine einseitige Kündigung der Personenfreizügigkeit, wie sie die Begrenzungsinitiative der SVP vorsieht. Das würde diese Chance verbauen. 

Haben Sie Wünsche an die Regio Basiliensis oder allgemein an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit? 

Ich denke, es ist wichtig auf dem Bestehenden aufzubauen. Es geht hier um das Bohren nicht gerade dünner Bretter.

In welchem Masse tragen das EU-Förderprogramm Interreg und die Neue Regionalpolitik (NRP) zur Herausbildung grenzüberschreitender Projekte bei, die für die Region sinnvoll sind?

Ich bin überzeugt, dass die Hauptwirkung solcher Programme schon jene als Katalysator für Ideen ist, die aus ganz verschiedenen Bereichen kommen und zusammengebracht werden.

Im Oktober treten Sie für die Wahl in den Ständerat für den Kanton Aargau an. Werden Sie sich für die grenzüberschreitende Kooperation in der Nordwestschweiz und in der Region Oberrhein einsetzen?

Natürlich! Wie bereits gesagt lebt der Aargau von der europäischen Zusammenarbeit. Ausserdem lassen sich die Herausforderungen der Zukunft sowieso nur grenzüberschreitend lösen. Denken wir schon nur an die innereuropäische Personenfreizügigkeit, die Migration oder die Klimakrise. Hier liegt viel Potential für die Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den kommenden Wahlen! 

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