Regio-Interview
18 septembre 2019
Regio-Interview - Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch
Zehn Fragen an Andrea Elisabeth Knellwolf, Grossrätin Kanton Basel-Stadt, Head Community Relations Basel bei F. Hoffmann-La Roche AG und Vizepräsidentin der Regio Basiliensis
Sie sind seit September 2014 Grossrätin des Kantons Basel-Stadt und nehmen seit März 2018 Einsitz in der Regiokommission. Können Sie uns kurz erläutern, was die Regiokommission tut?
Die Regiokommission ist für die parlamentarische Vorbereitung und Vorberatung von Geschäften des Bereichs Aussenbeziehungen für den Grossen Rat zuständig. In unserer Dreiland-Konstellation sind dies Themen wie gemeinsame Raumentwicklung, Verkehr, Bildung und Sicherheit, um nur einige zu nennen. Sie begleitet somit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rahmen des Trinationalen Eurodistricts Basel und der Oberrheinkooperation und stellt für den Grossen Rat die Mitglieder in Districtsrat und Oberrheinrat.
Welche Gelegenheiten und Möglichkeiten bietet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dem Kanton Basel-Stadt?
Der Kanton Basel-Stadt ist Teil einer Metropolitanregion mit der Stadt Basel als Zentrum der Region. Anders als in den meisten Schweizer Metropolitanregionen, liegt ein grosser Teil dieser Region im Ausland oder ausserhalb des Kantonsgebietes. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für Basel-Stadt darum keine Frage von Gelegenheiten und Möglichkeiten, sondern schlicht eine ganz reale Notwendigkeit. Die Grenzen im Alltag zu überwinden und, soweit es die politischen Systeme zulassen, gemeinsam zu handeln, wird zum Glück mehr und mehr zu einem selbstverständlichen Ansatz. Grenzen in diesem Sinne zu überwinden macht mir enorm Freude und ich sehe darin auch eine ganz praktische Form der Völkerverständigung und Friedenssicherung.
Welches ist Ihr persönliches Ziel in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Regiokommission?
Mein ganz persönliches Ziel ist es, dass die Menschen hier Freiheit und Frieden als etwas nicht Selbstverständliches wertschätzen und ich möchte mithelfen, dass ganz viele grenzüberschreitende menschliche Begegnungen passieren können.
Sie nehmen auch Einsitz in der Delegation der Nordwestschweiz des Oberrheinrates. Welchen Stellenwert nimmt dieser für das grenzüberschreitende Zusammenleben im Raum Basel ein?
Der deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinrat ist die Versammlung der politisch Gewählten der Region. Dieses Gremium dient einerseits der politischen Absprache zu wichtigen Themen in der Region. Aber er ermöglicht auch den direkten Kontakt für einen Austausch und gegenseitige Information auf Ebene der Gewählten. Das heisst, wir können uns mit unseren deutschen und französischen Kollegen über aktuelle Themen austauschen und sind darüber informiert, was bei unseren Nachbarn zurzeit überhaupt von Bedeutung ist. Wenn ein dringendes Thema ansteht, wissen wir, wie unsere Nachbarn dazu stehen und an wen man sich wenden muss, um die Herausforderung oder die Chance zu diskutieren. Das macht dieses Gremium umso wertvoller.
Sie wurden soeben zur Vizepräsidentin der Regio Basiliensis gewählt. Wie sehen Sie die Rolle der Regio Basiliensis in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit? Was kann sie bewirken?
Die Regio Basiliensis ist eine enorme Katalysatorin, «Übersetzerin» und Vernetzerin und kann die komplexen grenzüberschreitenden Zusammenhänge auf eine für die Bevölkerung erlebbare Realität übertragen.
In welchem Masse tragen das Programm Interreg und die Neue Regionalpolitik (NRP) zur Herausbildung grenzüberschreitender Projekte bei, die für die Region sinnvoll sind?
Interreg und die Neue Regionalpolitik (NRP) bieten ein Gefäss, welches die Realisierung von Projekten ermöglicht, die zur Stärkung der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder auch kulturellen Leistungen der Region beiträgt. Ein noch viel wichtiger Aspekt dabei ist aber, dass sich durch die Beteiligung an solchen Projekten Akteure aus den verschiedenen Ländern treffen und Beziehungen aufgebaut werden, die sonst vielleicht gar nicht entstanden wären. In dem Sinne ist auch dies eine ganz praktische Form der Völkerverständigung.
Was braucht es für ein erfolgreiches grenzüberschreitendes Projekt?
Vor allem den persönlichen Kontakt und konstante Vertrauensbeziehungen. Letztlich sind wir alle Menschen, die zusammenarbeiten und zusammenwirken müssen!
Kann die grenzüberschreitende Kooperation einen Effekt auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union haben?
Auf alle Fälle! Das gegenseitige Verständnis ist entscheidend. Es ist wichtig, dass die EU auch von den Schweizerinnen und Schweizern als das erkannt werden kann, was sie ist: Ein sehr erfolgreiches, einzigartiges Friedensprojekt und die einzige Chance dafür, dass wir unsere europäischen, freiheitlichen Werte trotz der Hegemonieansprüche von Mächten wie China, Russland oder den USA erhalten können.
Welches sind aus Ihrer Sicht die drei Worte, welche am geeignetsten die Herausforderungen der grenzüberschreitenden Kooperation zusammenfassen?
Ganz praktisch gesprochen: Sprachbarrieren, Hemmschwellen, Vorurteile. Diese drei Faktoren bremsen die alltägliche Begegnung zwischen den Menschen. Die beste Stärkung einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erfolgt bottom up, d.h. wenn die Bevölkerung diese leben will und Verbesserungen einfordert. Im Bereich Arbeitsmarkt haben wir so – dank der Grenzgängerinnen und Grenzgängern – bereits viele Fortschritte erzielen können.
Im Oktober treten Sie für die Wahl in den Nationalrat an. Wird Sie bei einer erfolgreichen Wahl die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein weiterhin begleiten?
Natürlich! Eines meiner Wahlplakate zeigt mich ja auch als «Dreiländerin» vor der Friedensbrücke zwischen Weil am Rhein und Huningue. Mein Ziel ist es, dass der Geist der grenzüberschreitenden Kooperation vermehrt auch in Bern ankommt. Dieser fördert nach meiner Überzeugung auch die Zusammenarbeit über Kantonsgrenzen hinweg. Und von diesen haben wir in unserem Land ja viele.
Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den kommenden Wahlen!