Regio-Interview

21 mai 2025

Regio-Interview – Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Gespräch

Zehn Fragen an Dr. Hans Martin Tschudi, Senior Counsel bei TSCHUDI. Rechts- & Unternehmensberatung, Alt-Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, Vizepräsident der Regio Basiliensis und Mitherausgeber der Schriften zur Grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

Im April 2025 ist die 20. Publikation der Schriftenreihe zur Grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im DIKE Verlag erschienen. Welche Ziele verfolgt die Schriftenreihe? Und wer sind die Herausgebenden?

Im Juni 2009 haben Dr. Kerstin von der Decken und ich diese Schriftenreihe im DIKE Verlag begründet. Kerstin von der Decken l war damals Ordinaria für Völker- und Europarecht an der Universität St. Gallen (HSG) und ich Lehrbeauftragter sowie ehemaliger Basler Regierungsrat, zuständig für die Aussenbeziehungen. Wir haben im Sommersemester 2008 an der HSG ein Masterseminar zur S-Bahn Regio Basel durchgeführt. Die Aufgabe bestand darin, in einem ersten Teil einen bestimmten grenzüberschreitenden Sachverhalt juristisch aufzuarbeiten und in einem zweiten Teil Lösungsvorschläge für dessen Weiterentwicklung zu erarbeiten. Diese rechtlichen Untersuchungen führten zum ersten Band der Schriftenreihe. 

Wie wichtig sind wissenschaftliche Beiträge für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?

Leider fehlt bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit trotz der hohen Relevanz häufig eine systematische Dokumentation und eine breite wissenschaftliche Aufarbeitung. Ziel muss es deshalb sein, diese Lücke zu schliessen und eine Verbindung von Wissenschaft und Praxis herzustellen. Die Wissenschaft kann Gewissheiten in Frage stellen und Reflexionen anstossen und damit Innovationen auslösen. 

Ich stelle mit grosser Freude fest, dass diese wissenschaftliche Reihe in den vergangenen 16 Jahren eindrücklich gewachsen ist. Wir halten heute den 20. Band in den Händen, der das aktuelle Thema «grenzüberschreitende Wasserstofftransportleitungen» behandelt. Ein Blick auf die Liste der bereits erschienenen Bände zeigt uns, dass wir eine grosse Zahl von gewichtigen Fragestellungen wissenschaftlich bearbeitet und pragmatische Lösungen gefunden haben. Besonders erwähne ich hier das juristische Handbuch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Bund und Kantonen, ein nützliches Nachschlagewerk für alle Praktikerinnen und Praktiker. 

Welche Forschungsfragen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit haben das grösste Potenzial und welche sind herausfordernd? 

Das grösste Potenzial liegt sicher bei Themen, die Neuland für die Zusammenarbeit sind. Hier kann beispielsweise das Thema Wasserstoff oder der Datenschutz genannt werden. Herausfordernd sind Bereiche, bei denen die Regelungsdichte im nationalen und europäischen Recht sehr hoch sind. Ein gutes Beispiel hierfür sind grenzüberschreitende Infrastrukturen. Das reicht von Brücken, Zollanlagen, Strassen, Leitungen und Verkehrsinfrastrukturen bis hin zu erneuerbaren Energien.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der wissenschaftlichen Ebene?

Hier habe ich eine grosse Offenheit und hohe gegenseitige Akzeptanz feststellen können. Die Expertinnen und Experten der Zusammenarbeit wissen, dass Sie auf die Unterstützung der Wissenschaft angewiesen sind. Umgekehrt profitiert die Wissenschaft vom Know-How der Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und den Kooperationsprojekten. 

Welche Rolle spielen juristische Fragestellungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?

Sobald sich die Zusammenarbeit nicht nur auf den Informationsaustausch begrenzt und es um konkrete Massnahmen und Projekte geht, ergeben sich rechtliche Fragestellungen bei der Planung und Umsetzung. Spezifische Regelungen, wie der Leitfaden der Oberrheinkonferenz zur Anhörung bei umweltrelevanten Vorhaben, können das grenzüberschreitende Miteinander verbessern. Und spezifische Vereinbarungen können Rechtssicherheit schaffen. Hier kann der Gesundheitsbereich mit dem Rettungswesen genannt werden.

Welche Rolle spielt aus Schweizer Sicht der Rechtsrahmen der Europäischen Union? 

Für viele Fragestellungen gilt das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten und gleichzeitig auch die Regelungen auf europäischer Ebene. Umso wichtiger ist es, dass die Auswirkungen der EU-Regeln auf die Schweiz jeweils mitberücksichtigt werden. Im besten Fall sind die Anwendungsmöglichkeiten explizit auch für Drittstaaten gegeben. Dies ist beispielsweise beim Europäischen Verbund für Territoriale Zusammenarbeit der Fall.

Wie wird die Forschung und die Schriftenreihe finanziert?

Für jede der Publikationen muss die Finanzierung gesondert sichergestellt werden. Regelmässig werden wir dabei von Sponsorinnen und Sponsoren unterstützt. Das ist hilfreich und sehr erfreulich. 

Welche Rolle spielt die Regio Basiliensis?

Die Regio Basiliensis hat in ihrer Geschichte viele massgebliche Beiträge zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geleistet. Hier können die grenzüberschreitende S-Bahn oder die Raumordnung genannt werden. Gleichzeit hat der Verein ein breites Netzwerk und mit seinem staatlichen Leistungsauftrag eine zusätzliche Legitimation. Der derzeitige Geschäftsführer der Regio Basiliensis, Dr. Manuel Friesecke, ist seit 2024 Mitherausgeber der Schriftenreihe.

Wie fing bei Ihnen das Interesse an der Forschung zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit an?

Meine langjährige Tätigkeit auf politischer Ebene für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und meine beiden Lehraufträge an der HSG und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) haben dieses Interesse verstärkt. Gerade die institutionelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat mir gezeigt, wie sehr gegenseitiges Vertrauen und gemeinsame Interessen von rechtlichen Fragestellungen abhängen.  

Was wünsche Sie sich angesichts der 20. Ausgabe der Schriftenreihe für die Zukunft?

Ich wünsche mir einen noch stärkeren Miteinbezug der Universitäten und Hochschulen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Diese muss bei Lehrenden, Lernenden und Forschenden noch besser wahrgenommen und berücksichtigt werden. «Cross Border Cooperation» sollte regelmässig an den Hochschulen gelehrt werden. Gerade in der Grenzregion Basel bietet dieser Aspekt viel Potenzial für die Wissenschaft. Für die Schriftenreihe im DIKE Verlage wünsche ich mir viele weitere spannende und qualitativ hochstehende Beiträge.

Herzlichen Dank für das Interview!

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